Scrum auf Talfahrt?

Scrum auf Talfahrt?

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Wenn Scrum nicht die gewünschten Ergebnisse bringt, wird oft schnell das Modell selbst dafür verantwortlich gemacht, unabhängig davon, ob es korrekt implementiert oder angewendet wurde. VISPIRON SYSTEMS hat die Umstände näher beleuchtet und interne und externe Expert*innen befragt.

In der heutigen Geschäftswelt stehen Unternehmen aller Größen vor wachsenden Herausforderungen, um sich in einem zunehmend kompetitiven Markt zu behaupten. Die Time-to-Market hat sich drastisch verkürzt, was bedeutet, dass neue Produkte dynamisch und effizienter als je zuvor auf den Markt gebracht werden müssen, während gleichzeitig die Kundenzufriedenheit gewährleistet sein muss. Angesichts dieser Entwicklungsherausforderungen sind flexible Arbeitsmodelle erforderlich, die den Anforderungen dieser schnelllebigen Zeit gerecht werden können.

Ein beliebtes Modell in der heutigen Zeit, das von Jeff Sutherland und Ken Schwaber entwickelt wurde, ist Scrum. Leider wird Scrum manchmal fälschlicherweise als der neue Wasserfall bezeichnet und oft inflationär in Unternehmen eingeführt. Es wird als Mittel angesehen, um Entwicklungsingenieure zu verwalten, Aufgaben für das Produkt zu priorisieren und sicherzustellen, dass sie rechtzeitig erledigt werden, um ein erfolgreiches Produkt auf den Markt zu bringen.

Agile-Insider behaupten auf den gängigen Plattformen wie z. B. LinkedIn, dass Scrum sich derzeit auf einer Talfahrt befindet. "Woran liegt das Eurer Meinung nach?“

Nils: "Das Scrum aktuell unpopulär ist und sich quasi auf dem absteigenden Ast befindet würde ich so nicht unterschreiben. Scrum Master sind sehr gefragt in deutschen Unternehmen. Scrum passt nur einfach nicht zu jedem Projektkontext - so wie jedes andere Projektmodell auch. Je nach Projekt kann ein anderes agiles Framework Sinn machen oder der klassischer Wasserfall - oder eben auch ein Hybrid aus agil und Wasserfall."

Matthias U.: "Unbeliebt, weil oft das Top-Management vorgibt „wir machen jetzt Scrum“, aber die Bedingungen, um Scrum richtig umzusetzen, oftmals nicht vorhanden sind oder sogar vom Management durch Mangel an Wissen und alten Strukturen außerhalb der Teams "torpediert" werden. Dann hat man eine sehr eingeschränkte Form von Scrum, die als negativ wahrgenommen wird, da Potenziale und Synergien nicht umgesetzt werden können."

Manuela: "Was für eine Frage! Gerne ein kleiner Ausflug in die Realität. Erst letzte Woche war ich im Kundenumfeld bei einem Bekannten eingeladen, um mir im Bereich Motorprüfstände die Umsetzung von Scrum anzuschauen. Mit strahlenden Augen wurden Nils (unser agiler Profi), Peter (Teamleader der Abteilung für E/E-Functions) und mir Unterlagen von 2017 gezeigt. Verrückt, denn zu diesem Zeitpunkt hat sich die Fachabteilung wegen Ressourcenengpässen und dem Wissen, dass sich etwas in der Arbeitsweise ändern muss, für Scrum entschieden. Was soll ich sagen, es hat sicherlich 3 Jahre gedauert bis, alle Mitarbeitenden zu Fans wurden, aber es hat sich auch gelohnt. Das Ergebnis ist beeindruckend. Auf den Folien für das Management konnten 50 % Ressourceneinsparung ausgewiesen werden. Die Mitarbeiter*innen sind motiviert, der Laden läuft. Ich kann nicht verstehen, warum es nicht weiter Schule macht und sich die Arbeitsweise nicht weiter durchsetzt. 
Die Kolleg*innen, die nichts von dem ganzen Schnickschnack halten und der Meinung sind, „das brauchen wir nicht“ gibt es immer auch in diesem Umfeld. Was hinter dieser Denkweise steckt, hat mein Bekannter mit wenigen Worten und einem Lächeln wie folgt  zusammengefasst: Angst vor Transparenz. Mein Fazit aus dem Besuch: Es braucht neben einigen anderen Faktoren vor allem Mut für Veränderung und Fehlerkultur. Mit Scrum oder anderen agilen Methoden wird das Risiko der späten Fehler so weit minimiert, dass das Held*innentum kaum noch Platz im Fachbereich und im Unternehmen findet."

Britta: "Viele Firmen führen Scrum als Synonym für agile Arbeitsweisen ein, auch wenn es auf die aktuellen Anforderungen und Teamkonstellationen nicht passt. Weitere, sehr gute agile Modelle sind nicht so bekannt und werden daher gar nicht erst in Betracht gezogen."

 

Max: "Im Kern beobachte ich, dass viel "Preaching to the Choir" stattfindet unter agilen Praktizierenden. Ich sehe es seltener auf LinkedIn, dass sich Menschen interessieren und nachfragen, was es braucht, was wertvoll für den Anderen ist. Menschen, die sich bemühen, Agile immer wieder zu erklären, auf viele Weisen verständlich zu machen und sich wirklich viel Mühe geben, zu übersetzen, was Agilität konkret ist. Ich find z.B. die Aussage: "Das ist nicht agil" schwierig, weil es einfach eine Behauptung aufstellt und nicht erklärt, was agil dann sonst ist. Da verliert man ganz viele, die einfach nur etwas mehr Erklärung/Kontext gebraucht hätten."

Fazit

Scrum scheint aktuell tatsächlich als Arbeitsmodell aus o.g. Gründen hinterfragt zu werden.
Diese Faktoren tragen u.a. dazu bei:

  • Dogmatismus: Scrum mit seinen strikten Regeln und Zeremonien werden oft als belastend empfunden. Wird es zu dogmatisch in Unternehmen angewendet, verliert man an notwendiger Flexibilität und Effizienz. Das führt häufig zu Frust bei den Mitarbeitenden.
  • Kein ausreichendes Verständnis oder Training; so werden gute Methoden nicht wirksam umgesetzt.
  • Grenzen erreicht. In großen, komplexen Projekten oder zu großen Teams stößt es oft an seine Grenzen. So sind zusätzliche Frameworks wie z.B. SAFe oder LeSS notwendig, die jedoch komplexer sind und entsprechende Experten zur gewinnbringenden Umsetzung bedürfen.
  • Alternativlos? Alternative agile Methoden werden gar nicht erst betrachtet.

Wie lautet nun unsere Empfehlung?

An den richtigen Stellen richtig eingeführt, ist Scrum ein wunderbar gut durchdachtes Framework, das wir gerne empfehlen, aber nicht ausschließlich.

Zielführender ist es, mit agilen Expert*innen zu analysieren, welches agile Modell für die eigenen Projekte wirklich die geeignete Arbeitsweise darstellt. Und darauf folgend mit Coaching, Wissensvermittlung und Begleitung dieses Modell zielgerichtet einzuführen und zu etablieren.

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