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Wann ist Scrum sinnvoll, wann nicht?

In Gesprächen mit anderen Unternehmen höre ich häufig Aussagen wie “Wir arbeiten mit Scrum”. Das freut mich ein jedes Mal sehr, da ich ein großer Verfechter von agilem Vorgehen, insbesondere von Scrum bin. Auf meine Frage, wie genau denn nach Scrum gearbeitet wird, folgt dann meistens allerdings schon die Ernüchterung. Alle von uns werden bestimmt schon mehr als einmal Antworten wie: “Wir haben ein Backlog und unsere Arbeitspakete heißen Sprints.” gehört haben. Es wird Dingen äußerst gerne moderne und interessant klingende Namen gegeben, wie zum Beispiel "Facility-Manager" oder "Fake-News", um nur zwei zu nennen. Genauso scheint es in der heutigen Arbeitswelt ein Trend zu sein, Buzzwords aufzugreifen und diese dann möglichst effizient in das eigene Unternehmen hinein zu tragen und dort zu etablieren. Agil wird die Organisation dadurch allerdings nicht. Für mich stellt sich dann oftmals die Frage, weshalb man überhaupt agiler werden möchte und was die Erwartungen und die Bedürfnisse sind, die man sich durch mehr Agilität und durch Scrum verspricht zu erfüllen.

Scrum basiert auf Empirie. Empirie bedeutet, Erkenntnisse auf wissenschaftlichem Wege aus Erfahrungen zu gewinnen. Das heißt, wir treffen unsere Entscheidungen auf Grundlage von Wissen, welches wir uns aus gemachten Erfahrungen zusammengesammelt haben. Eine empirische Vorgehensweise und damit einhergehende Prozesskontrolle ist in komplexen Umfeldern erfolgversprechender als andere Methoden. Warum ist das so? Werfen wir hierzu einen Blick auf die folgende Grafik:

 

Blogbeitrag Wann ist Scrum sinnvoll, wann nicht 28.09.22

Aus diesem Schaubild können wir die folgenden vier Zustände ablesen.

Alles ist bekannt - Everything is known = simple 

Wenn wir alles Notwendige wissen, brauchen wir kein agiles Vorgehen wie Scrum. Hier ist es am effizientesten, das Projekt von A bis Z durchzuplanen, zum Beispiel anhand des Wasserfall-Modells. In einem einfachen Umfeld müssen wir mit keinen Änderungen rechnen, weil wir zu Beginn bereits alles ganz genau wissen. In der Realität ist dies erfahrungsgemäß nicht der Fall. Besonders mit steigender Projektgröße nehmen die getroffenen Annahmen und Hypothesen signifikant und immer weiter zu.

Mehr ist bekannt, als unbekannt - More is known than unknown = complicated

In einer Umgebung, in der wir erwiesenermaßen mehr wissen, als uns nicht bekannt ist, helfen uns bewährte Methoden und Praktiken. Hier sprechen wir von einem komplizierten Umfeld.

Mehr ist unbekannt, als bekannt - More is unknown than known = complex

Spannend wird es in einem komplexen Umfeld, in dem uns mehr unbekannt als bekannt ist und wir weniger wissen. Hier ist eine empirische Prozesskontrolle und ein Vorgehen wie Scrum erfolgversprechender. Wir schaffen uns eine Umgebung des Lernens und des Experimentierens und erforschen so das Unbekannte. Durch eine regelmäßige Inspektion des aktuellen Zustands und der Adaption und Abänderung, nachdem neuen Erkenntnisse gewonnen worden sind, ist es uns möglich, mit dem Unbekannten zu arbeiten. Als Voraussetzung muss gelten: Wir akzeptieren nicht alles wissen zu können.

Sehr wenig ist bekannt - Very little is known = chaos

Chaos herrscht dann, wenn wir gar nichts oder nur sehr wenig wissen. Auf dieser Grundlage ist es sehr schwer oder sogar unmöglich, ein Projekt umzusetzen. Wenn wir nicht wissen, wer unsere Kunden sind, was unsere Kundinnen haben oder was wir tatsächlich erreichen möchten, ist es dann sinnvoll ein Projekt überhaupt erst zu starten?

Je nach Ausgangslage und dem Zustand des Wissens können also empirische Vorgehensweisen oder klassische (nach dem Wasserfall-Modell) Methoden die passenden Begleiter auf dem Weg zum Ziel sein. Grundvoraussetzung, um eine Entscheidung im Hinblick auf die Methodik fällen zu können, muss dabei die ehrliche Auseinandersetzung mit und die realistische Einschätzung von Komplexitätsgrad und Wissensstand sein. 

Weiter lässt sich zusammenfassend sagen, dass ein agiles Vorgehen wie Scrum nicht immer die Antwort auf alle Fragen und Probleme ist und andere Vorgehensweisen durchaus ihre Einsatzgebiete und ihre Berechtigung haben. Meine Empfehlung ist nicht sofort auf Biegen und Brechen Scrum zu implementieren, weil es gerade ein Trend ist und es alle so machen, sondern genau zu überlegen, ob es im eigenen Unternehmen und im entsprechenden Team sinnvoll sein kann. Es ist immer wichtig zu prüfen, ob es Alternativen gibt, besonders wenn man sich beispielsweise in einem einfachen, wenig komplexen Umfeld befindet. Wir von der Agile Solutions beraten Dich gerne und helfen Dir, die richtige Entscheidung zu treffen. Weiterführend empfehle ich Dir unsere Beiträge zu den Themen Scrum – eine neue Art der Teamarbeit”, "Was bedeutet eigentlich agile Entwicklung und warum brauchen wir sie?" und “Wie läuft die Scrum-Sprintplanung ab?”.

Wenn es konkrete Fragen zu den Themen Scrum, Sprintplanung und agilen Methoden gibt oder das Interesse an Complementary Pracitces und Verbesserungen innerhalb von Sprints geweckt wurde, schau doch einfach bei unserem Agile Community After Work Event vorbei. Dort kannst du gerne deine offenen Fragen an die agile Community stellen. Nächster Termin: 13.10. um 17:30 in München.

Zum Abschluss stelle ich mich gerne noch bei Dir vor:

"Seit mehr als fünf Jahren arbeite ich als Scrum Master an der Implementierung von Frameworks in verschiedenen Teams. Die Möglichkeitenprofessionell und effizient mit sich ändernden Prioritäten umzugehen und die Auslieferung von Software zu beschleunigen sind für mich die wichtigsten Vorteile für die Arbeit mit Scrum."

Mehr über Tim erfahren.

 
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